Was passiert beim „Verlupfen“?

Nehmen wir erstens an, Ihre Rückenmuskeln sind stark genug, um den berühmten Kasten Bier anzuheben, ohne dass dabei Beschwerden auftreten. Biomechanisch passiert folgendes:
Die gehobene Last – der Kasten – bewirkt ein Biegemoment an der Wirbelsäule. Diesem Biegemoment wirkt die Kraft der Rückenstrecker entgegen. Wir sprechen von einer „muskulären Zuggurtung“. Die Kraft der Rückenstrecker presst die Wirbel gegeneinander. Der BS-Druck steigt. Die Fasern des BS-Ringes werden angespannt und stabilisieren die Wirbel miteinander. Last, Kraft, BS-Druck und Faserspannung stehen im Gleichgewicht. Die WS ist stabil und schmerzfrei.

Die auftretenden Kräfte sind schon bei Alltagsbelastungen beachtlich. Beim Anheben von 20 kg wirkt auf die WS ein Biegemoment (gemessen als Drehmoment) in Höhe von 200 Nm ein. Dieses Drehmoment wird duch die Kraft der Rückenstrecker ausgeglichen. Dabei erbringen die Muskeln so viel "Kraft" wie ein 1.9 l Golf Turbo Diesel, der bei einer Drehzahl von 1.900 U/min ein Drehmoment von 204 Nm leistet. Ob Sie einen Kasten Bier – oder eine größere Last – stabil und schmerzfrei anheben können, hängt also primär von der Kraft Ihrer Rückenstrecker ab. In verschiedenen Wettkämpfen werden Lasten von mehr als 200 kg schmerzfrei gehoben. Ob das sinnvoll und auf Dauer gesund ist, darf jedoch bezweifelt werden. Nehmen wir zweitens an, Ihre Muskeln sind gerade stark genug für den Bierkasten, aber zu schwach für höhere Lasten. Jetzt heben Sie den Bierkasten und zusätzlich noch 5 kg mehr an.

Diese 5 kg mehr, bzw. das dadurch an der WS erzeugte Biegemoment, kann nicht entsprechend kompensiert werden durch Kraft, BS-Druck und Faserspannung. Die Kraft dieser zusätzlichen 5 kg wirkt aber auf Ihre WS ein, Sie heben diese Last ja an.

Aus der Physik wissen wir, dass es einen Energie-Erhaltungssatz gibt. Also muß sich die Kraft dieser zusätzlichen 5 kg irgendwo an Ihrer WS „entladen“. Dies geschieht durch eine sogenannte „Scherbelastung“. Die Wirbel werden so gegeneinander verschoben, bis die muskulär nicht kompensierte Kraft vernichtet ist.

Diese „Scherbelastung“ verursacht Schmerzen, je nach einwirkendem Lastüberschuß mehr oder weniger. Schmerzursache sind Microverletzungen im Faserring der Bandscheibe, im Bandapperat der WS und in den Kapseln der Wirbelgelenke.

Reflektorisch verkrampft die WS-Muskulatur, um die WS zu schützen. Das Wirbelgelenk als Bewegungsscharnier der WS wird in einer unbeweglichen Position vom Muskelkrampf fixiert. Eine Wirbelgelenksblockierung ist entstanden.

95% aller akuten Kreuzschmerzen sind auf Wirbelgelenksblockierungen zurückzuführen. Bandscheibenvorfälle sind nur zu etwa 5% die Ursache von akuten Kreuzschmerzen. Hier kommt es zu einer weiteren Verlagerung von Bandscheibengewebe bei bereits bestehendem Vorfall, denn eine gesunde Bandscheibe reißt nicht durch hohe Belastungen. Vorher würde der Wirbelkörper zerbrechen.
Lesen Sie dazu unter Button 2 "Direkt zu Ihrem Problem" das Kapitel Bandscheibenvorfall